GARCHING UND DIE ISAR VOR 200 JAHREN

DIE MODERNE VERMESSUNG BAYERNS

Topographische Karten:
Nach 1800 wurden erstmals moderne Karten von Bayern angefertigt. Napoleon hatte das Kurfürstentum Bayern in der Schlacht von Hohenlinden 1800 besiegt. Jetzt wollten Napoleon und seine Generäle exakte Karten für das Militär. 1801 wurde von französischen Offizieren die „Basislinie“ vermessen: 21,653 km zwischen Oberföhring und Aufkirchen (bei Erding). Sie war Grundlinie für die Carte dela Bavière von Aubert und dann für die topographische Uraufnahme: Ab 1808 wurden „Urpositionsblätter“ in 981 handgezeichneten Blättern 1:25.000 erarbeitet. Daraus entstanden 112 Blätter Blätter 1:50.000, in Form von Kupferstichen herausgegeben als „Topographischer Atlas vom Königreiche Baiern“ vom Topographischen Bureau des Königlich Baierischen Generalstabes ab 1812.

Katasterblätter:
Gleichzeitig ließ das Königliche Steuervermessungsbureau von 1808 bis 1864 ganz Bayern in 24.000 Katasterblättern 1:5.000 erfassen: äußerst detaillierte Flurkarten mit Bezeichnung der Grundstücke nach Gemarkung und Flurnummer oder Hausnummer. Die 24.000 Druckstöcke der als Litographien vervielfältigten Katasterblätter sind auf Solnhofer Kalkplatten im Landesamt für Vermessung noch heute erhalten, ebenso wie die Kupferstichplatten des topographischen Atlas.

DAS MODERNE KÖNIGREICH BAYERN 1806
Bayern war seit 1806 Königreich und organisierte eine moderne einheitliche Verwaltung. Garching gehörte danach zum Landgericht (heute Landkreis) und Rentamt (heute Finanzamt) München im „Isarkreis“ (heute Regierungsbezirk). Die geistlichen Herrschaften waren seit der Säkularisation 1803 aufgehoben. So war die fürstbischöflich-freisingische Grafschaft Ismaning aufgelöst, die Isar war keine Grenze mehr. Das Gemeindeedikt von 1808 gab den Gemeinden gewisse Selbstverwaltungsrechte durch den Gemeindevorsteher (Bürgermeister) und den Gemeindeausschuss (Gemeinderat), allerdings unter Aufsicht des Landgerichts (1862 aufgeteilt in Bezirksamt, heute Landratsamt, und Amtsgericht). Die Konstitution von 1808 und die Verfassung von 1818 hoben die Grundherrschaft auf und gaben den Bauern das Eigentum an ihren Grundstücken, allerdings gegen Ablöse. Freiheitsrechte der Person waren u.a. Religion, Berufswahl, Heirat und Wahl des Wohnsitzes, allerdings gab es das Bürgerrecht noch längere Zeit nur mit Zustimmung der Gemeinde. Wahlrecht hatten nur grundbesitzende Steuerzahler.

DAS DORF GARCHING
Die Gemeinde Garching laut Statistik von 1817/18 des Landgerichts München: In Garching gibt es 52 Häuser, darin 50 Familien mit 131 männlichen und 149 weiblichen Mitgliedern. In Dirnismaning 10 Familien mit 23 männlichen und 26 weiblichen Mitgliedern. Im Kanalhaus eine Familie mit 2 männlichen und 3 weiblichen Mitgliedern. Größere Anwesen sind das Postgut, der Riemerhof, die Mühle, Schindlhuber und Christlbauer. 1795 waren es noch 49 steuerpflichtige Höfe in Garching und 6 in Dirnismaning gewesen.

Die Pfarrei Garching:
Zur Pfarrei Garching gehörten als Filialen auch Unterschleißheim (St. Valentin und St. Korbinian), Mallertshofen, Fröttmaning und Freimann. Bis 1803 bestimmte der Abt von Weihenstephan den Pfarrer, danach gehörte die Pfarrei zum Dekanat München im neu gegründeten Erzbistum München und Freising. 1833 waren die meisten Bewohner katholisch, nur sieben waren evangelisch. Die Pfarrkirche St. Katharina war barock umgestaltet. Die Antonius-Kapelle am südlichen Ortsrand wurde nach 1803 abgetragen, ihre Steine wurden zum Bau des ersten Schulhauses verwendet, in das 1894 die Gemeindekanzlei und die Feuerwehr einzogen (um 1966 abgerissen).

Die Poststation Garching:
Errichtet 1785 vom Tafernwirt Franz Xaver Fuhrmann als Mittelstation an der Postroute von München über Landshut nach Regensburg. Das Gebäude der Wirtschaft brannte 1809 ab, der Neubau im klassizistischen Stil steht heute noch als Gasthaus zur Post bzw. „Poseidon“. Gegenüber steht das ehemalige „Gesindehaus“ des Postanwesens mit Pferdestall und Schmiede, heute als Gasthaus „Garchinger Augustiner“.

Die „Russenstraße“:
Vom Kanalknie verläuft ein Weg geradeaus nordöstlich zur Isar nördlich von Ismaning. 1799 zogen dort ca. 10.000 russische Soldaten aus Italien, wo sie gegen Napoleon gekämpft hatten, zurück in die Heimat. So wurde vermieden, dass die Truppen durch München zogen. Spuren dieses Weges sind noch heute zu finden. Bis 1812 zogen immer wieder Truppen der Napoleonischen Kriege durch Garching und Umgebung.

Landkarte Vermessungsamt München 1809 (zum Vergrößern auf Bild klicken)

 

GARCHING UND DIE ISAR VOR 200 JAHREN
Dr. Michael Müller, Heimatpfleger und Ortschronist

Die Isar und die Bäche
Wildfluss Isar:

Die Isar war immer noch ein Wildfluss mit Verzweigungen, zwischen denen Kiesbänke („Gries“) und Sandbänke lagen. In München wurden aus der Isar die Stadtbäche ausgeleitet. Der Garchinger Mühlbach ist eine Verzweigung des Schwabinger Baches beim Aumeister. Dort wurde auch 1689 der Schleißheimer Kanal ausgeleitet, der parallel zum Mühlbach geradewegs nach Norden verläuft und nordöstlich von Dirnismaning am „Kanalknie“ nach Westen zum Schloss Schleißheim abknickt. Am Kanalknie ist ein Überlauf zum Mühlbach zu sehen. Der Giesenbach ist ein Altarm der Isar. Zwischen Mühlbach und Isar war Überschwemmungsgebiet mit Wiesen, Buschwerk und Auwald.

Isarflößerei:
Aus dem Gebirge wurde vor allem Holz nach München geflößt und am Lehel an Land gebracht und gelagert („Kurfürstliches Holzlager“). Auf den Flößen wurden Waren aus Tirol und Italien wie Obst und Wein transportiert. Von München Richtung Donau verkehrten Flöße zum Transport von Personen; eine regelmäßige Verbindung, das „Ordinarifloß“, ging bis Wien.

Flusskorrektur:
Adrian von Riedl war Geometer und Wasserbauingenieur und bis 11805 kurfürstlicher General- Wasser- und Straßenbaudirektor. Er schuf einen „Stromatlas von Baiern“ mit einer Karte der Isar vom Ursprung bis München, und einen Straßenatlas von Bayern. In München plante er an einer Korrektur des Flusslaufes. Der Fluss sollte in einem neuen schmäleren und geraderen Bett fließen. Verwirklicht wurde zunächst nur ein langer Damm, der nach einem katastrophalen Hochwasser 1789 den Englischen Garten vor dem Fluss schützen sollte. Garching und Ismaning versuchten, mit Holzpalisaden („Wühren“) ihre Ufer zu sichern und Hochwasser zum Nachbarn wegzuleiten.

Fischerei und Jagd:
Zwischen Garchinger und Ismaninger Fischern gab es häufig Streit, der bis 1803 sogar vor dem Hofgericht ausgetragen wurde. Ein großer Teil der Isarauen war Jagdgebiet der Kurfürsten, dann Könige (Hirschau). Dazu waren Jagdaufseher bestellt: bei Freimann der Aumeister, bei Garching der Überreiter.

 

Literatur
Karten:

Ortsblätter 1:2.500 und Katasterblätter 1: 5.000, 1808-1853, 29.000 handgezeichnete Flurkarten, im Litographie-Verfahren vervielfältigt; Originale der Steindruckplatten im Bayerischen Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung.
Urpositionsblätter 1:25.000 von 1817 bis 1841, 981 handgezeichnete Blätter, Originale im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München.
Topographischer Atlas vom Königreiche Baiern 1:50.000, 122 Blätter 1812 bis 1867, gedruckt als Kupferstiche; Originale in der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB). Blatt 77 München, Blatt 70 Dachau (mit Garching).
Carte de la Bavière, 1:100.000, 1801-1806 von L. Aubert p’ere, im Auftrag von Napoleon, 17 Kupferstiche für das Militär, erst 1900 veröffentlicht; Originale in der BSB.
Die meisten dieser Karten sind online einsehbar unter www.bayerische-landesbibliothek-online.de oder www.ldbv.de, wo auch Reproduktionen bestellt werden können.
Bücher:
Odward Geisel, Garching bei München, Stuttgart 2002, 32-38
Michael Müller, in: Unser Garching, Stadtchronik, Garching 2015, 42-46
Christine Rädlinger, Geschichte der Isar in München, hrsg. vom Stadtarchiv München, München 2012, 63-81