GARCHING UND DIE ISAR VOR 300 JAHREN

(Juni 2019)

 

Die aktuelle Garchinger Stadtchronik aus dem Jahre 2015 ziert auf dem vorderen Umschlag ein Ausschnitt aus einer Karte aus dem Jahre 1716. Eine Kopie dieser Karte hängt im Rathaus vor dem Ratssaal; sie wurde der Stadt von der Nachbargemeinde Ismaning bei den Feiern „1100 Jahre Garching“ im Jahre 2015 geschenkt. Das Original wird im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München aufbewahrt, ist ca. 5,50 m lang und 50 cm hoch und zeigt in großer Detailgenauigkeit die Isar von Bogenhausen bis Achering kurz vor Freising; sie wurde von dem Geometer Johann Jacob von Löw im Auftrag des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern angefertigt. Sie sollte die Grenze zwischen dem Kurfürstentum Bayern (Landgericht Kranzberg, zu dem Garching gehörte) und dem Hochstift Freising (Grafschaft Ismaning), dem Herrschaftsgebiet des Freisinger Bischofs, dokumentieren.

Um diese Grenze gab es häufig Streit zwischen den Bewohnern der Dörfer beiderseits der Isar um Fischereirechte und die Anlage von Wühren, also Uferbefestigungen, welche das Wasser vom eigenen Ufer fernhalten sollte und damit eben zum anderen Ufer hinleitete. Wiederholt gab es Prozesse vor dem Hofgericht; auch diese Prozessakten sind im Archiv aufbewahrt. Löws Karte zeigt die Dörfer beiderseits des Flusses mit den einzelnen Gebäuden, Straßen und Wegen und beschriftet viele Einzelheiten, vor allem natürlich die Grenzmarkierungen; die Stellen sind mit Ziffern bezeichnet, die am oberen und unteren Rand erläutert sind. Derzeit ist eine Kopie der Karte von 1716 als Ausstellung zu sehen in der Vitrine in der U-Bahn-Station Garching am Aufgang zum Maibaumplatz.

Das Dorf Garching: Besteht aus Kirche, Friedhof, Pfarrhaus, ca. 20 Höfen mit insgesamt etwa 45 Gebäuden, der Antonius-Kapelle am Ortseingang von München her, je einem Ziehbrunnen an beiden Ortseingängen. Kirche, Kapelle und Tafernwirt haben Ziegeldächer, die anderen Gebäude offenbar Strohdächer. Die Häuser haben Satteldächer und stehen meist mit einem Giebel zur Straße. Die Höfe, die Feldfluren und die Hauptwege sind von Zäunen eingefasst, die man „Etter“ nennt. Die Hauptwege sind die Landstraße von München nach Freising und der Weg aus der Ortsmitte nach Osten zur Mühle und weiter zur Isar; zwei Wege führen nach Westen. Der Ort ist weiträumig von Feldern umgeben, die wiederum eingezäunt sind und im Osten bis zum Mühlbach reichen. Die Garchinger Mühle: Besteht aus zwei Hauptgebäuden links und rechts des Mühlbaches; am rechten Gebäude sind zwei unterschlächtige Mühlräder zu sehen, dazu gibt es eine Scheune mit großem Tor und fünf kleinere Gebäude, davon eines außerhalb des Mühlengrundstücks. Der Hauptweg vom Dorf zur Isar (heute Lindenallee) führt nördlich an der Mühle vorbei. Die Mühle ist schon im Urbar (Besitz- und Abgabenverzeichnis) des Herzogs von Bayern aus den Jahren 1231/34 eingetragen; sie musste dem Herzog jährlich 50 Käse abliefern.

Der Überreiterhof: Ein Parallelweg führt aus dem Mühlengrundstück an der „Über Reuthers Behausung“ vorbei; dieser heutige „Überreiterhof“ besteht aus drei Gebäuden und einem Ziehbrunnen. Wie nähere Recherchen ergaben, war „Überreiter“ oder „Überreuter“ die Amtsbezeichnung für „berittener Amtmann, berittener Jagd- und Forstaufseher, Zollkontrolleur“ (Reinhard Heydenreuter u.a., Vom Abbrändler zum Zentgraf, Wörterbuch zur Landesgeschichte und Heimatforschung in Bayern, München 2009, Volk-Verlag). Der „Überreiter“ brachte also nicht Reisende über die Isar; dieser Übertritt über die „grüne Grenze“ war gar nicht erwünscht. Als 1689/90 eine Behelfsbrücke über die Isar gebaut wurde, um Lehm für Ziegel zum Bau des Schleißheimer Schlosses von der Ismaninger Seite zum neuen Kanal zu schaffen, wurde diese Brücke von Soldaten bewacht, um solche Grenzübertritte zu verhindern. Die Isarauen waren kurfürstliches Jagdgebiet und der Überreiterhof war, was heute das Forstamt ist. Ein Weg führt am Rand der Isarauen von der kurfürstlichen Hirschau nördlich München bis Dietersheim. Beim Überreiterhof ist die Flurbezeichnung „Schergen Wörth“: „Scherge“ bedeutet „Amtmann“. Garching war damals ein „Schergenamt“ im Landgericht Kranzberg.

Dirnismaning: Auf der Karte von Löw als „Dur Ismaning“ bezeichnet, was der ursprünglichen Bedeutung von „dürres Ismaning“ entspricht. Links und rechts der Landstraße aus München liegen etwa 7 Höfe, erkennbar an der jeweiligen Umzäunung, mit insgesamt 19 Gebäuden. Auch hier stehen die größeren Gebäude mit einem Giebel zur Straße. Die Höfe sind von einer eingezäunten Wiesenfläche umgeben, nach Westen schließen sich Felder an.

Die Isar ist noch ein ungezähmter breiter Wildfluss, der sich in mehrere Arme aufteilt, die durch Kiesinseln („Gries“) getrennt sind. An einzelnen Stellen gibt es einen „Einbruch“, an dem der Fluss offenbar über seine Ufer getreten war; dort wurden Absperrungen eingebaut. Längere Uferbefestigungen aus Holz heißen „Wühren“ oder „Wuhren“: Von Süd nach Nord (in Fließrichtung der Isar): „Alte Dür Ismaringer Wühr“, „Garchinger Wühr“, „Hagen Wühr“ (auf der Höhe der Garchinger Mühle). Bewachsene Inseln und die bewachsenen Auwaldstreifen heißen „Werth“ oder „Wörth“. Wieder von Süd nach Nord: „Hoss Werth“ (auf der Höhe von Dirnismaning), „Schergen Werth“ (beim Überreiterhof), „Obere Grassl Werth“ und „Untere Grassl Werth“ (nördlich der Mühle), „Fischer Werth“ (bei der Mündung des Mühlbachs in die Isar).


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Die Bäche: Der Garchinger Mühlbach entspringt aus dem Schwabinger Bach beim späteren Aumeister, zusammen mit dem Schleißheimer Kanal. „Schafgüessen“ (auf der Höhe von Dirnismaning) und „Schergengüessen“ (auf der Höhe des Kanalknies, verbindet die Isar mit dem Kanal), sind nicht direkt miteinander verbunden wie heute als Gießen, sondern nur kurze Seitenarme der Isar.

Der Schleißheimer Kanal wurde im Jahre 1689 angelegt im Auftrag des Kurfürsten Max Emanuel, um Baumaterial zum Bau seines neuen Schlosses in Schleißheim zu transportieren. Im Verlauf nach Westen bei Dirnismaning steht bei Löw die Bezeichnung „Canal auf Schleissheimb“. Dort wo die Landstraße von München den Kanal überquert, ist eine hoch gewölbte Bogenbrücke eingezeichnet.
Das heutige „Kanalschlössl“ fehlt noch; es wurde erst um 1740 gebaut und ist auf späteren Karten als Zollhaus bezeichnet. Gut erkennbar ist der „Hafen“ am Kanalknie und die Fortsetzung Richtung Isar, die den Mühlbach schneidet und in die Gießen mündet. Dort wurden Flöße mit Bauholz und Steinen aus dem Gebirge angelandet. Man erkennt noch den Weg von der Isar Richtung Kanalhafen und seine Fortsetzung auf der Ismaninger Seite; von dort wurde Lehm über die Isar gebracht und in einem Ziegelstadel am Kanal zu Ziegeln gebrannt.

Ismaning: Auf der Karte von Löw „Ismaring“ geschrieben. Im Mittelpunkt des Dorfes stehen die Kirche mit Friedhof und Pfarrhaus, die Mühle mit zwei Mühlrädern am Mühlbach an der Stelle des heutigen Gasthofes, das Schloss der Freisinger Bischöfe im Renaissance-Stil mit vier runden Ecktürmen und einem großen Nebengebäude. Es gibt etwa 28 Höfe mit insgesamt etwa 58 Gebäuden. Die Hauptstraße führt Nord-Süd durch den Ort, in einem Bogen nach Osten am Schloss vorbei; zwei Wege führen zur Isar. Die Felder gehen bis zu den Isarauen.